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Konzept:
Kinderwohnheim

Folgende Bereich nehmen in unserem Gesamtkonzept einen besonderen Stellenwert ein:

Familienanalogie

In unserem Haus leben 24 Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung in drei familienähnlichen Gruppen. Unser Ideal ist, dass die Kinder und Jugendlichen das Kinderwohnheim als ihr „zweiten Zuhauses“ erleben können. Da wir seit vielen Jahren mit geistig behinderten Kindern leben und arbeiten, haben wir größten Respekt vor den enormen Leistungen, die Eltern mit seelenpflegebedürftigen* Kindern jeden Tag erbringen. Eine familiäre Situation kann sich durch verschiedenste Bedingungen so verändern, dass diese Leistungen nicht mehr von den Eltern allein erbracht werden können. Dadurch, dass in einer erweiterten, familienähnlichen Lebensgemeinschaft mehr Menschen zusammenwirken, kann ein soziales Netz entstehen, in welchem das Kind gemeinsam von Elternhaus und Kinderwohnheim getragen wird.

* = Unterbringung des folgend benannten Personenkreises unter SGB IX § 2 Abs. 1: Kinder und Jugendliche mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung und/oder einer Sinnesbehinderung, die nicht in ihrer eigenen Familie leben können und die in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate gehindert oder hiervon bedroht sind (vgl. $ 2 Abs. 1 SGB IX). Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe ist die Zugehörigkeit zum Personenkreis nach $ 99 SGB IX in der jeweils geltenden Fassung. Ausgenommen sind Kinder und Jugendliche, die dem Personenkreis nach § 35a SGB VIll zuzuordnen sind.

Anthroposophie

Wie leben wir Anthroposophie? Wie können wir in der heutigen Zeit anthroposophische Inhalte und Erkenntnisse umsetzen? Diese und andere Fragen diskutieren wir in unseren wöchentlich stattfindenden Konferenzen; dort haben sie einen festen Platz und fordern uns immer wieder auf, unser Handeln und Denken zu überprüfen, zu reflektieren und anzupassen. Die Grundlage unseres pädagogischen und sozialen Zusammenlebens ist die anthroposophische Heilpädagogik Rudolf Steiners. Neben der Einbindung zeitgemäßer Diagnosestellungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse versuchen wir uns den Rätseln, welche uns die Kinder jeden Tag stellen, durch die phänomenologische Menschenkunde zu nähern. Durch eine ganzheitliche Wahrnehmung ihrer Äußerungen und das Anerkennen ihrer individuellen „Sprache“ und persönlichen Bedürfnisse gehen wir in respektvoller und zeitgemäßer Weise auf die Lebenspläne und Absichten des Einzelnen ein. 

Religiöses Leben

Als anthroposophische Einrichtung ist uns das Feiern der christlichen Jahresfeste, die Begleitung in den Tag und die Begleitung aus dem Tag mit unserem Abendkreis ein wichtiges geistiges Anliegen unserer Arbeit. Der Sonntagskreis mit Liedern aus Taizé sowie der besondere Abendkreis geben unserer Woche geistige Form und Struktur. Es ist für uns selbstverständlich, religiöse Freiheit zu respektieren. Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass Kinder anderer Religionen nicht verpflichtet sind, christliche Feste mitzufeiern. Wir streben auch hier danach, eine Balance zu finden zwischen dem, was wir als heilsamen kulturellen Rahmen vorgeben wollen und dem Empfinden, ab welchem Alter dieser Rahmen als beengend für die Jugendlichen empfunden wird und gelockert werden sollte.

Selbstbestimmung

Wir denken, dass ein Mensch das, was er verantwortlich selbst entscheiden kann, auch selbst entscheiden sollte. Gleichzeitig ist es eine Tatsache, dass Kinder diese Fähigkeit noch nicht in allen Bereichen in vollem Maße besitzen. Selbstbestimmung braucht die Fähigkeit zur Selbstverantwortung – und Selbstverantwortung braucht Übungsfelder. Kein Mensch hat die Fähigkeit zu selbstverantwortlichem Handeln von Geburt an. Sie bildet sich vielmehr dadurch, dass er die Möglichkeit bekommt, sich auszuprobieren und an den Folgen seines Handelns zu lernen. Wir sehen unsere Aufgabe daher nicht darin, das individuelle Wollen der uns anvertrauten Kinder zu bewerten und in standardisierte Formen zu pressen, sondern zu versuchen, dieses Wollen zu verstehen und den Kindern dadurch individuelle Entwicklungsräume zu geben. Wir sehen unsere vordergründige Aufgabe darin, „Ermöglicher“ individuellen Wollens für die jungen Menschen in unserem Haus zu sein. Unsere Aufgabe ist es, Unterstützung und Hilfestellung zu leisten sowie Rahmenbedingungen für ihren individuellen Lebensentwurf zu schaffen. 

Partizipation

Uns ist es sehr wichtig, im Johanna-Ruß-Haus ein Klima zu schaffen und zu erhalten, in welchem die Erwartungen und Gestaltungswünsche der Kinder und Jugendlichen deutlich und verbindlich kommuniziert werden können. Zu diesem Zweck existieren vielfältige Elemente der Partizipation und Beschwerdemöglichkeiten für die Bewohner und ihre Angehörigen. Sowohl auf Einzelebene als auch auf der Ebene der Wohngruppen und des Gesamthauses finden wöchentlich Gesprächsrunden statt, deren Verlauf und Ergebnisse protokolliert werden. Hierin können die Elemente des täglichen Lebens der Gemeinschaft reflektiert, bewertet und verändert werden. Zentral ist hierbei auch, den Kindern die ihnen offenstehenden Möglichkeiten der Einflussnahme auf ihr Leben in unserem Haus aufzuzeigen und sie durch eine offene und wertschätzende Grundhaltung immer wieder darin zu bestärken, diese zu nutzen. Alle Elemente der Partizipation wurden mit den Kindern gemeinsam erarbeitet und werden regelmäßig zusammen mit ihnen evaluiert und weiterentwickelt. 

Selbstständigkeit

Wir denken, dass es für jeden Menschen eine zentrale und überaus positive Erfahrung ist, seine Umgebung in seinem Sinne direkt zu beeinflussen: Für sich sorgen zu können. Hierdurch können Selbstwirksamkeit und Autonomie erlebt werden und neue Ziele und Herausforderungen erscheinen in greifbarer Nähe. Wie immer man diese Erfahrung nennen möchte – ob Selbstwirksamkeitserwartung, Empowerment oder Kohärenzgefühl – wir glauben, dass gerade junge Menschen mit kognitiven und körperlichen Einschränkungen hiervon in besonderem Maße profitieren. Aus diesem Grunde hat die Förderung der Selbstständigkeit neben der Selbstbestimmung einen zentralen Platz in unserem pädagogischen Handeln. Je nach Alter und Entwicklungsstand der Kinder kann dies in Form einer lockeren täglichen Einbeziehung in lebenspraktische Tätigkeiten sein oder auch gezieltes Training einzelner Fertigkeiten sowie die Verfolgung schriftlich festgehaltener Ziele. Wir erleben hierbei immer wieder neu, wie wichtig das Erleben des „Ich kann das alleine!“ für die jungen Menschen ist und wie positiv es sich auf ihre Persönlichkeitsentwicklung auswirkt.

 

Leben mit Tieren

Das Johanna-Ruß-Haus bietet nicht nur großen und kleinen Menschen, sondern auch zwei Zwergeseln und drei Shetlandponys eine Heimat. Die fünf Freunde stehen auf der angrenzenden Wiese. Sie sind seit zwölf Jahren ein Herzstück unseres Kinderwohnheimes. Wenn die Kinder draußen spielen, stehen die Pferde und Esel am Tor und möchten dazukommen. Dann findet – geführt von den betreuenden Erwachsenen – ein sehr stimmungsvolles Miteinander von Tieren und Menschen statt.

Therapien

Eine festangestellte Mitarbeiterin besitzt die Qualifikation als Kunsttherapeutin und Therapeutin für tiergestützte Therapie und führt regelmäßig gezielte therapeutische Interventionen mit einzelnen Bewohnern durch. Darüber hinaus finden nach Bedarf Logopädie, Ergotherapie, Chirophonetik und Heileurythmie durch externe Therapeuten in unserem Hause statt. 

Kunst-und Kreativtherapie

Freies Mal- Atelier und Einzeltherapie: Im Malatelier wird den Kindern die Möglichkeit gegeben, sich mit Farben und verschiedenen Materialien kreativ auszudrücken und zu entfalten. Aquarellfarbe, Gouache, Acryl und Ölkreiden werden dabei in vielfältiger Weise genutzt, ebenso Ton, Gips, Holz und Pappmaché. Viele unserer Kinder sind seelisch stark belastet. In gezielter Einzelintervention kann Kunsttherapie hier Entlastung und Stabilisierung ermöglichen sowie Entwicklungsräume öffnen.

Tiergestützte Therapie

In der tiergestützten Therapie begegnen wir unseren tierischen Mitbewohnern, den Hunden, Katzen, Eseln und Shetland Ponys auf eine besondere Weise. Tiere können durch ihre ganz eigenen seelische Qualitäten Brücken bauen, seelische Resonanzprozess in Gang setzen und stagnierende Prozesse neu beleben. Durch sie entwickeln wir Humor, sie wirken gemeinschaftsfördernd und bewirken oft nur durch ihre Anwesenheit, dass Kinder sich entspannen, innerlich aufleben sowie Selbstwirksamkeit erfahren und entwickeln können. Wir setzen tiergestützte Therapie im Rahmen eines integrativen biopsychosozialen Therapiemodells ein, das die psychische Dimension von Mensch und Tier in das Zentrum stellt und Wachstumsprozesse durch die Interaktion und Beziehung zwischen dem Kind und dem Tier sowie dem Therapeuten und dem Kind im Gesamtkontext der Therapiesituation ermöglicht (Integratives Verfahren nach Petzold H. G. et al. (1993). Hierbei spielen je nach individueller Situation basale neurobiologische Anreize aber auch Heilungsprozesse im Hinblick auf Traumafolgestörungen eine wichtige Rolle. 

Sexualpädagogik

Sexualität ist ein menschliches Grundrecht und Grundbedürfnis sehr vieler Menschen. Ihre je individuelle Ausgestaltung stellt für jeden Menschen einen integralen Teil seines Selbstkonzeptes dar. Wir verstehen die sich entwickelnde Sexualität der Kinder und Jugendlichen daher als Ausdruck ihrer Freiheit und ihrer Persönlichkeit. Wir achten, schützen und fördern die psychosexuelle Entwicklung der Menschen, die unserer Einrichtung wohnen, in unserem täglichen Handeln sowie in gezielten pädagogischen Interventionen. Die grundlegenden Unterschiede zwischen kindlicher Sexualität und sich entwickelnder erwachsener Sexualität der Jugendlichen sind für hier stets handlungsleitend. Konzeptuell gründet das Handlungsfeld der Sexualpädagogik in unserem Haus auf der inneren Haltung jedes Mitarbeitenden, der Schaffung von Rahmenbedingung, der psychosozialen Begleitung, der Vermittlung von Wissen und der Missbrauchsprävention. Grundlegendes Ziel für uns ist hierbei eine sexualfreundliche Einrichtung zu sein. Alle Bewohner in unserem Haus sollen die Möglichkeit haben, gemäß ihrer individuellen Entwicklung und Gestimmtheit ihre Sexualität entdecken, entwickeln und leben zu können, ohne hierbei von anderen beeinträchtigt zu werden oder andere zu beeinträchtigen. Hierbei arbeiten wir eng mit den Angehörigen der Bewohner sowie verschiedenen externen Stellen, wie etwa den Beratungsstellen pro familia und Neue Wege, der Caritas Essen und freiberuflichen Sexualpädagogen zusammen. Wie alle unsere Fachkonzepte ist auch unser sexualpädagogisches und Missbrauchsschutzkonzept in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendamt in Münster entstanden und von diesem genehmigt.

 

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Wir freuen uns auf Sie!

 

Christopherus-Haus e.V.
Kinderwohnheim

Rüsbergstr. 60
58456 Witten

Tel.: 02302 979900
Mobil: 0163 6396191
l.arntz@christopherus-haus.de

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